Nachts Kuschelwagen. Morgens Kopenhagen. Eine vorweihnachtliche Nachtzugreise. (Dezember 2011)
Auch dieses Jahr wollen wir eine vorweihnachtliche Reise unternehmen. Am Wochenende des vierten Advents soll es mit dem Nachtzug "Aurora" nach Kopenhagen gehen, von dort über den Öresund einen kleinen Abstecher ins schwedische Malmö geben und schließlich am nächsten Tag über die Vogelfluglinie zurück an den Bodensee gehen.
Im Vorfeld hatte mich die Reise einige Nerven gekostet. Das ging los im Oktober am Tag der Buchungsfreigabe für den neuen Fahrplan, trotz frühestmöglicher Buchung waren nämlich keine Sparangebote für die Hinfahrt verfügbar. Nach einigem Grübeln kam mir dann der Gedanke, es mal ab Basel SBB zu versuchen, und siehe da: hier gab es noch ausreichende SparNight-Kontingente. Kurz darauf kam dann die Meldung, dass die Storstrømsbrücke bis auf weiteres gesperrt sei, da sah ich uns dann schon im Ersatz-Bus sitzen. Gut, die Sperrung wurde Ende November aufgehoben, dafür verhieß ein Warnsymbol bei der nächsten Fahrplanabfrage für die Hinfahrt nichts Gutes: verlängerte Reisezeit wegen Störung am Gleis zwischen Neumünster und Flensburg um 20 Minuten. Und die Hiobsbotschaften gingen so weiter: als nächstes streikte nun das dänische Werkstattpersonal, was zu Einschränkungen im Bahnbetrieb führte. Und zwei Tage vor der Abfahrt wurde dann auch noch das Orkantief "Joachim" ankündigt, das am Reisetrag mit Sturm und Regen zu Verkehrsbehinderungen führen werde - na toll, und wir wollen ausgerechnet während des Orkans einmal quer durch Deutschland fahren…

Streckenkarte
Tag 1: Konstanz - Zürich - Basel - Nachtzug
Auf das Schlimmste gefasst machen wir uns nun also auf die Reise. Jeder andere würde von Konstanz aus nach Radolfzell oder Singen fahren und dort in den IRE entlang des Hochrheins nach Basel steigen. Auf die Fahrzeuge der Baureihe 611 hatte ich aber keine Lust und so war ich auf die Idee gekommen, auf der schweizerischen Seite nach Basel zu fahren. Rückblickend gesehen war das ein Glücksfall, denn wie ich später erfahren habe, waren sowohl Hochrhein- als auch Schwarzwaldbahn von Sturmschäden betroffen.

Konstanz im Dauerregen, der seeseitige Teil des Weihnachtsmarkts wird wegen des Sturms geschlossen.
Bei strömendem Regen steigen wir in Konstanz in den Interregio der SBB nach Zürich. Der Zug bringt sonst viele Besucher aus der Schweiz nach Konstanz zum Weihnachtsmarkt, aber bei diesem Wetter hält sich der Besucheransturm in Grenzen.

InterRegio der SBB in Konstanz

1. Klasse im SBB-InterRegio
Die Fahrt nach Zürich verläuft unspektakulär, dort angekommen haben wir einen kleinen Aufenthalt eingeplant für einen ersten Weihnachtsmarktbesuch. Und das Beste bei diesem bescheidenen Wetter: der Christkindlimarkt ist komplett überdacht und bequem zu erreichen, er befindet sich nämlich direkt in der Bahnhofshalle (neudeutsch ShopVille-RailCity) und wird als der größte überdachte Weihnachtsmarkt Europas beworben.

Christkindlimarkt in der Bahnhofshalle Zürich



Zwischen den Markthäuschen leuchtet ein Baum mit 7.000 Swarovski-Ornamenten

Eigentlich fahre ich im Ausland lieber mit fremden Zügen, aber zwischen Zürich und Basel bietet sich um diese Zeit der ICE eben an. Gut, 8 Minuten später wäre noch ein IR nach Basel gefahren, aber als deutscher Bahnreisender ist man gewohnt, lieber eine etwas größere Übergangszeit zu wählen - in der Schweiz wäre diese Sorge vermutlich überflüssig.

ICE 1 im Hauptbahnhof Zürich
Schade, dass es schon dunkel ist, denn die Strecke von Zürich nach Basel bin ich zuvor noch nie gefahren, denn egal wohin ich fahre, der verkehrsübliche Weg führt von Konstanz aus nie über diese Strecke.

Treffen der Generationen in Basel

Weihnachtsschmuck in der Bahnhofshalle von Basel SBB
Im Bahnhof von Basel decken wir uns noch mit einem kleinen Nachtisch für das Abendessen ein und besteigen dann den Nachtzug nach Kopenhagen, dessen Fahrt hier beginnt. Der Zug führt auch Kurswagen nach Moskau - vielleicht eine Idee für die nächste Bahnreise?

Schlafwagen im CNL "Aurora" Basel-Kopenhagen

Gang im Doppelstock-Schlafwagen

Deluxe-Abteil im Oberstock

Deluxe-Abteil im CNL-Nachtzug


Das Deluxe-Abteil verfügt über Dusche und WC
Auf der Strecke kommen Doppelstockwagen zum Einsatz, wir haben zwei Deluxe-Abteile mit Dusche und WC, die sich im oberen Stockwerk befinden. Zur Begrüßung können wir zwischen Sekt und Rotwein wählen und machen uns dann auf in den Speisewagen für ein Abendessen.

Der Reiseführer ist schon 5 Jahre alt - aber die Werbung passt. Den Wein gibt es als Begrüßungsgetränk.
Später genieße ich dann die Fahrt, das Licht im Abteil ist aus, der Drehstuhl zum Fenster gedreht, und draußen ziehen die Lichter vorbei, Karlsruhe, dann Mannheim und Frankfurt. Schade, dass kein Schnee liegt, aber auch so ist die nächtliche Fahrt reizvoll, wenn überall die Weihnachtsbeleuchtung strahlt. Im Kinzigtal wird die nächtliche Strecke dann langweiliger und so beschließen wir den ersten Reisetag.
Tag 2: Nachtzug - Kopenhagen - Malmö
Als ich aufwache und auf die Uhr schaue, ist es kurz nach Sieben. Habe ich so tief geschlafen, dass ich den Lokwechsel im deutsch-dänischen Grenzbahnhof Padborg gar nicht mitbekommen habe? Als wir dann zwanzig Minuten später einen Bahnhof erreichen und ich dort Padborg lese, klärt sich das auf: wir haben über eine Stunde Verspätung. Ich finde das gar nicht so schlimm, denn so sehe ich mehr von der Strecke, die ebenfalls neu für mich ist.

Fahrt über den Lillebælt (Kleiner Belt) auf die Insel Fünen

Im Schlafwagen ist ein Frühstück inbegriffen

Fahrt über den Storebælt (Großer Belt) von Fünen auf Seeland.
Bei der Fahrt über die Insel Fünen lassen wir uns das Frühstück schmecken. Interessant ist dann die Querung des Großen Belt. Der Westteil führt über eine Brücke, auf der Insel Sprogø führt die Bahnstrecke dann in die Tiefe und wir fahren durch einen acht Kilometer langen Bahntunnel unter dem Meer, dabei sind wir bis zu 75 Meter unter der Meeresoberfläche.
In Odense war unsere Verspätung auf 50 Minuten geschrumpft, als wir nun in Kopenhagen ankommen, sind es noch 40 Minuten.
Zunächst machen wir uns auf einen kleinen Stadtbummel durch Kopenhagen. Über die Fußgängerzone Strøget laufen wir zum Nyhavn und von dort am Ufer entlang zur Kleinen Meerjungfrau. Hier scheint sogar die Sonne, auch wenn ein kalter Wind weht.

Rathaus Kopenhagen

In der Fußgängerzone Strøget

Am Amagertorv-Platz


Am Nyhavn, hier gibt es einen kleinen Weihnachtsmarkt.



Inderhavnen

Gefion-Brunnen und St.Alban-Kirche

Tolbodens Badehavn

Die Kleine Meerjungfrau (Den Lille Havfrue)
Am Nachmittag fahren wir dann mit dem Öresundzug hinüber ins schwedische Malmö. Die Fahrt dauert etwa 30 Minuten.

Öresundzug (dänisch Øresundstog) in Kopenhagen zur Fahrt nach Malmö

1. Klasse im Öresundzug

Fahrt über die Öresundbrücke
Auch die Querung des Öresunds besteht wieder aus einer Kombination von Tunnel und Brücke. Zunächst führt die Strecke durch den Drogdentunnel bis zur künstlichen Insel Peberholm und anschließend für knapp acht Kilometer über die weltweit längste Schrägseilbrücke für kombinierten Straßen- und Eisenbahnverkehr. Die Autos fahren über uns, der Zug fährt auf der unteren Ebene.

Am Bahnhof Malmö Centralstation beginnen wir den Stadtbummel
Malmö ist die drittgrößte Stadt Schwedens, vom Bahnhof aus überqueren wir den Östra Hamnkanalen und sind dann gleich auf dem Stortorget (Großer Marktplatz) und erkunden von hier aus die Sträßchen der Altstadt.

Weihnachtliche Fußgängerzone von Malmö


Weihnachtlicher Glanz auf dem Lilla Torg
Leider schlägt nun bald das Wetter um und ein Regen-Sturmgemisch lässt uns fluchtartig zum Bahnhof streben. Schade, aber gut, denn werde ich für die weitere Stadterkundung eben zur Sommerzeit mal wieder nach Malmö fahren "müssen".

Zurück am Bahnhof

Zur Einstimmung auf die Bahnfahrt gibt es an den Wänden der unterirdischen Durchgangsgleise eine Installation mit bewegten Bildern einer Zugfahrt, im Moment "fahren" wir durch eine schwedische Winterlandschaft.


Es geht wieder mit dem Öresundzug zurück, auf Schwedisch heißt er Öresundståg

Nichts für Fahrkartensammler: vom schwedischen Automaten gibt es nur einen "Kassenzettel", aber wenigstens der dänische Automat spukt eine "richtige" Fahrkarte aus.
Zurück in Kopenhagen ist es nun dunkel geworden und in der Stadt strahlt die Weihnachtsbeleuchtung. Nachdem heute Mittag noch Sonnenschein herrschte, kommt jetzt bei Dunkelheit doch mehr Weihnachtsstimmung auf.

Auf dem Rathausplatz steht der größte Weihnachtsbaum Dänemarks

Weihnachtsschmuck in der Strøget

Weihnachtsmarkt auf dem Gammeltorv-Platz
Nach einem Bummel durch die Altstadt folgt nun der Höhepunkt der Weihnachtsreise, ein abendlicher Besuch im Tivoli. Der weltberühmte Vergnügungsparkt in der Innenstadt wurde 1843 eröffnet und präsentiert sich zur Weihnachtszeit unter dem Motto "Jul i Tivoli" (Weihnachten im Tivoli) als romantisches Lichtermeer - dieses Jahr erstmals mit dem Motto russische Weihnachten. Aber keine Sorge, es gibt nicht nur Wodka, sondern auch Gløgg, den dänischen Glühwein.

Der Eingang zum Tivoli...





...hier erwartet uns "Russisk Jul i Tivoli"





Tag 3: Kopenhagen - Lübeck - Konstanz
Früh aufstehen heißt es am nächsten Morgen, denn wir haben den Frühzug um 7.45 Uhr gebucht. Dem 8-Minuten-Übergang in Hamburg auf den südfahrenden ICE traue ich aber nicht, das hat schon einmal nicht geklappt. Und so haben wir noch eine Pause in Lübeck eingeplant. Die Rückfahrt führt uns über die sogenannte Vogelfluglinie, benannt nach der Flugroute der Zugvögel zwischen Mitteleuropa und Skandinavien. Eine Besonderheit der Route ist der Trajektverkehr von Rødby nach Puttgarden, wo der Zug mit einer Eisenbahnfähre über den Fehmarnbelt übersetzt.

Weihnachtsbaum im Hauptbahnhof København H
Wir sind pünktlich auf Gleis 6 des Kopenhagener Bahnhofs, eine automatische Ansage kündigt den ICE in drei Sprachen an - nur der Zug kommt nicht. Irgendwann zeigen die Monitore "Forventet 7.55 an", dann zeigen die Monitore ein anderes Abfahrtsgleis an und dort angekommen heißt es dann "Forventet 8.10".

Anzeigetafel im Hauptbahnhof Kopenhagen
Und schließlich kommt dann doch irgendwann der Zug, so dass wir Kopenhagen mit einer halben Stunde Verspätung verlassen. Die Besetzung in der 1. Klasse ist sehr überschaubar, außer uns gibt es noch 3 Reisende. Internationale Reisende erhalten in der 1. Klasse einen Gutschein, der im Bordbistro gegen einen kleinen Snack und Wasser, Tee oder Kaffee eingelöst werden kann. Der Snack besteht wahlweise aus einem Croissant oder einem Schokoriegel.

1. Klasse im ICE-TD von Kopenhagen nach Hamburg

Den Gutschein...

...wandeln wir in ein zweites Frühstück um.
So gestärkt können wir nun die ruhige Fahrt und den Sonnenaufgang über Dänemark genießen. Im Audioprogramm läuft ein Radiosender mit dänischen Weihnachtsliedern - schön.

Die berüchtigte Storstrømsbrücke taucht in der Ferne auf...

...und bald fahren wir über den Storstrømmen von Seeland auf die Insel Falster

In Rødby Færge gibt es aufgrund unserer Verspätung dann einen interessanten Ablauf - "wir müssen ein Bisschen rangieren" nennt das der Zugchef per Durchsage. Wir stehen zunächst auf dem Gleis links vom Bahnsteig und warten dort, bis der EC aus Hamburg die Fähre verlassen hat und auf dem Gleis rechts des Bahnsteigs angehalten hat. Nachdem der entgegenkommende EC den Bahnsteig verlassen hat, setzt unser ICE zurück und fährt dann über das rechte Gleis auf die Fähre.

Der Zug ist eben auf die Fähre gerollt, hinter uns schließt sich die Heckklappe.

Der Zug steht auf dem Fährschiff, rechts von uns stehen Autos.
Während der Überfahrt müssen die Fahrgäste den Zug verlassen - aber das hätten wir sowieso gemacht, denn so eine Überfahrt ist für uns "Südländer" doch ein Erlebnis, zumal auf See die Wintersonne strahlt.


Bei der Fahrt über den Fehmarnbelt genießen wir an Deck die Wintersonne

Mit 30 Minuten Verspätung erreichen wir später Lübeck - der Zug wird übrigens außerplanmäßig in Hamburg enden und wegen technischer Probleme nicht bis nach Berlin fahren. Aufgrund der Verspätung fällt der ohnehin knapp bemessene Stadtbummel in Lübeck noch etwas kürzer aus, so dass wir uns im Sauseschritt Richtung Weihnachtsmarkt aufmachen.

Ankunft in Lübeck

Durch das Holstentor...

...und über die Trave...

...erreichen wir den Weihnachtsmarkt auf dem Rathausmarkt.

Hier begehen wir nun einen touristisch-kulinarischen Frevel, denn statt für Lübecker Spießbraten entscheiden wir uns für Dünnele, eine schwäbisch-alemannischen Spezialität, die es auch auf dem Konstanzer Weihnachtsmarkt gibt. Aber zum Ausgleich sollen dann auch Lübecker Marzipan-Leckereien nicht fehlen.


Auf dem Rückweg zum Bahnhof

Regional-Express von Lübeck nach Hamburg
Von Lübeck fahren wir mit einem Regional-Express nach Hamburg, auf der Strecke kommen Doppelstockwagen zum Einsatz.

1.Klasse im Regionalexpress Lübeck-Hamburg

Weihnachtsschmuck im Hauptbahnhof Hamburg
In Hamburg nutzen wir die halbe Stunde Aufenthalt dann für einen Kaffee in der Lounge.
Genau 5 Stunden fahren wir nun mit dem ICE südwärts durch Deutschland. Eine Baustelle zwischen Hamburg und Hannover beschert uns 12 Minuten Verspätung, die bis Frankfurt wieder aufgeholt ist. Für ein paar Kilometer fahren wir in der Lüneburger Heide durch eine verschneite Winterlandschaft, ansonsten präsentiert sich das Land eher grün, braun und sehr nass.
Auf der gesamten Strecke gibt es einen erstklassigen Service, Zeitungen, Schokolädchen und einen aufmerksamen und freundlichen Am-Platz-Service mit Speisen und Getränken aus dem Bordrestaurant. Am 18. Dezember liegt schon die Januar-Ausgabe der Zeitschrift mobil aus - darin gibt es als passende Einstimmung auf den letzten Abschnitt unserer Tour einen interessanten Artikel über die Schwarzwaldbahn.
Die Zeit vergeht wieder wie im Flug und schon bald sind wir in Baden-Baden, der 6-Minuten-Übergang auf die Schwarzwaldbahn ist kein Problem - und hier gibt es sogar noch eine kleine Überraschung. Endlich erwische ich mal einen der neuen Wagen mit blauer Beleuchtung und verstellbaren Sitzen. Ich habe die Wagen schon oft von außen gesehen, jetzt klappt's also endlich mal mit der Mitfahrt.

1. Klasse im neuen Doppelstockwagen auf der Schwarzwaldbahn
Ab Hornberg haben wir den Winter dann noch einmal eingeholt, hier im Schwarzwald liegt nämlich Schnee, wobei sich der Reiz der verschneiten Schwarzwaldlandschaft bei Dunkelheit nur erahnen lässt.
Die Bahnauskunft wirft für die Hinfahrt eine Fahrtdauer von 19:04 Stunden und für die Rückfahrt von 14:31 Stunden aus - gut, da müssen noch die Aufenthalte in Zürich, Basel, Lübeck und Hamburg abgezogen werden, aber auch so kommen wir auf über 30 Stunden Zugfahrt an einem Wochenende.
Etwas schade war, dass kein Schnee lag, denn eine Zugfahrt durch eine Winterlandschaft ist bei einer vorweihnachtlichen Reise und auch den Weihnachtsmärkten natürlich noch schöner, aber auch so war es ein bahnverrücktes Wochenende, das trotz aller Widrigkeiten im Vorfeld am Ende ein tolles Erlebnis geworden ist.
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