Im Juni 2022 unternehmen wir einen Tagesausflug am Bodensee. Im Fokus stehen dabei die für uns neuen Tango-Züge der Appenzeller Bahnen, der offene Aussichtswagen auf der Zahnradstrecke von Gais nach Altstätten sowie die Dienstbahn der Internationalen Rheinregulierung.
Reiseroute
Wir fahren von Konstanz in die Schweiz nach St. Gallen und von dort auf Meterspurstrecken über Gais und den Passübergang Stoss nach Altstätten. Anschließend führt uns die Route über die Grenze nach Österreich, wo wir mit dem Rheinbähnle die Strecke nach Widnau erkunden, bevor wir am Bodenseeufer zurück nach Konstanz fahren.
Wir brechen erst am späten Vormittag zu der Rundfahrt auf. Zuvor nutzen wir die Gelegenheit für einen Besuch des Riesenrads, das am Hafen von Konstanz steht. So können wir den Konstanzer Bahnhof aus ungewohnter Perspektive betrachten. Der Blick geht auch zum Hafen mit den nicht mehr genutzten Eisenbahngleisen zum Hafenbecken. Seit 1873 bestand von Konstanz ein Trajektverkehr über den Bodensee nach Lindau, nach Eröffnung des Arlbergtunnels kam 1884 eine Verbindung nach Bregenz hinzu. 1899 wurde der Verkehr nach Lindau vom Schiff auf die Gleise der Bodenseegürtelbahn umgeleitet, 1917 endete der Trajektverkehr nach Bregenz und damit die Zeit der Eisenbahnfährverbindungen in Konstanz.
Blick vom Riesenrad zum Bahnhof Konstanz, rechts der Bildmitte das Empfangsgebäude mit Turm
Im Hafen sind Teile eines alten Fernschnelltriebwagens vom Typ 'Bauart Köln' abgestellt, ein End- und ein Mittelwagen von VT 06 106 dienen der Wassersportabteilung des Eisenbahner-Sportvereins als Vereinsheim. Das Fahrzeug wurde 1938 für die Deutsche Reichsbahn gebaut und war bis 1963 bei der Bundesbahn im Einsatz.
Hafen von Konstanz, auf einem Hafengleis ist ein alter Fernschnelltriebwagen abgestellt
Wir fahren nun mit einem RegioExpress von Konstanz nach St. Gallen. Auf der schnellen Direktverbindung wird ein Gelenktriebwagen (GTW) der Bahngesellschaft Thurbo eingesetzt. Die Route verläuft auf der Seelinie am schweizerischen Bodenseeufer von Konstanz nach Romanshorn, anschließend geht es durch das Bodensee-Hinterland hinauf nach St. Gallen.
Gelenktriebwagen von Thurbo im Bahnhof Konstanz
Erste Klasse im GTW
Blick aus dem Zugfenster am schweizerischen Bodenseeufer
Fahrt durch das Bodensee-Hinterland nach St. Gallen
Nach der Ankunft am Bahnhof St. Gallen wechseln wir zum Nebenbahnhof vor dem Empfangsgebäude, wo die schmalspurigen Züge der Appenzeller Bahnen verkehren. Seit dem Jahr 2018 sind die bis dahin getrennten Kopfbahnhöfe von Gaiserbahn und Trogenerbahn zu einem Durchgangsbahnhof zusammengelegt. Als sogenannte Durchmesserlinie verkehren die Züge der Appenzeller Bahnen nun durchgehend von Trogen bis Appenzell, im Rahmen des Projekts wurden Gelenktriebwagen vom Typ Tango des Herstellers Stadler beschafft.
Bahnhof St. Gallen
Tango-Gelenktriebwagen der Appenzeller Bahnen in St. Gallen
Erste Klasse im Tango-Gelenktriebwagen der Appenzeller Bahnen
Wir fahren mit dem Tango-Gelenktriebwagen von St. Gallen bis Gais. Die Strecke war früher für die engste Zahnradkurve der Welt bekannt, diese Kurve wurde im Zuge des Projekts der Durchmesserlinie durch den Ruckhaldetunnel ersetzt, es gibt auf diesem Streckenabschnitt auch keinen Zahnstangenbetrieb mehr. Mit bis zu 80 Promille kann die Strecke jedoch einen neuen Superlativ als steilste Adhäsionsbahn der Schweiz verzeichnen. Nach der Fahrt durch das Stadtgebiet von St. Gallen erreicht der Zug das Appenzellerland.
Blick aus dem Zugfenster im Appenzellerland
Fahrt durch den Ort Bühler
In Gais legen wir eine kleine Pause ein. Rund um den schmucken Dorfplatz präsentiert sich der 3.000-Einwohner-Ort mit repräsentativen Bauten und traditionellen Holzhäusern mit geschweiften Giebeln. Die meisten Gebäude wurden nach einem großen Brand im Jahr 1780 errichtet, der nahezu das ganze Dorf zerstörte.
Bahnhof Gais
Dorfplatz von Gais
Brunnen auf dem Dorfplatz
Beflaggung für die 750-Jahr-Feier von Gais
Im Jahr 1889 nahm die damalige Appenzeller Straßenbahn den Betrieb auf der Linie St. Gallen-Gais auf, 1904 wurde die Verbindung nach Appenzell verlängert. 1911 kam schließlich die Bahnstrecke nach Altstätten hinzu, zu jener Zeit entstand auch das heutige repräsentative Bahnhofsgebäude.
Empfangsgebäude Bahnhof Gais
Wir fahren jetzt mit der S 24 von Gais nach Altstätten. Es handelt sich hierbei jedoch nicht um eine schlichte S-Bahn, sondern um eine Verbindung mit einer Zahnradbahn, die im Sommer an bestimmten Wochentagen mit einem offenen Aussichtswagen verkehrt. Der Aussichtswagen befindet sich an der Talseite des Zugs, so ergibt sich von dort ein Streckenblick in Fahrtrichtung. Zwischen Aussichtswagen und Triebzug ist zudem ein Velowagen eingereiht.
Einfahrt der S 24 in den Bahnhof Gais
Aussichtswagen und Velowagen vor dem Triebzug
Im Aussichtswagen der Zahnradbahn von Gais nach Altstätten
Fahrt durch das Appenzellerland zum Scheitelpunkt am Hebrig
Die Strecke führt über den Stoss, das ist ein Passübergang, der das Appenzellerland mit dem St. Galler Rheintal verbindet. An der Passhöhe liegt die gleichnamige Station, dort beginnt der erste von drei Zahnstangenabschnitten. Die Meterspurstrecke von Gais nach Altstätten ist 7,65 Kilometer lang, der Höhenunterschied vom Scheitelpunkt bis zur Endstation in Altstätten beträgt gut 500 Meter.
Beginn eines Zahnstangenabschnitts an der Station Stoss
Blick vom Zug ins St. Galler Rheintal
Talfahrt auf einem Zahnstangenabschnitt
Fahrt vor der Kulisse des Alpsteins
Bald sind schon die ersten Häuser und die beiden Kirchen von Altstätten zu sehen, nach 23 Minuten Fahrzeit endet dort dieses außergewöhnliche Bahnvergnügen. Derzeit gilt der Betrieb auf der Strecke bis zum Jahr 2035 als gesichert, dann wird das bisherige Rollmaterial das Ende seiner Lebenszeit erreichen. Die weitere Zukunft der Strecke ist offen.
Der Zug erreicht Altstätten
Die Bahnstrecke endet am westlichen Rand des Stadtzentrums von Altstätten - etwa anderthalb Kilometer vom SBB-Bahnhof am anderen Ende der Stadt entfernt. Die Strecke führte früher weiter bis zum Rathaus, von dort konnte man bis 1975 den Weg bis zum SBB-Bahnhof mit einer Straßenbahn zurücklegen. Heute verkehren verschiedene Buslinien zwischen der Endstation der Zahnradbahn und dem SBB-Bahnhof. Wir entscheiden uns jedoch für den Fußweg, so können wir die historische Altstadt erkunden. Auch Altstätten wurde Opfer eines Stadtbrands, die Stadt wurde ab 1567 neu aufgebaut. Der Weg führt uns an der Pfarrkirche St. Nikolaus vorbei, der Bau in spätbarockem und neuklassizistischem Stil wurde 1798 vollendet.
Streckenende in Altstätten
Historisches Zentrum von Altstätten
Pfarrkirche St. Nikolaus
Altstätten liegt an der SBB-Rheintallinie von Rorschach nach Chur. Der Ort musste seinerzeit um einen Bahnanschluss kämpfen, da eine direkte Streckenführung in einiger Entfernung am Ort vorbeigeführt hätte.
Mit einem Flirt-Triebzug der Schweizerischen Südostbahn (SOB) fahren wir durch das Rheintal nach St. Margrethen.
SBB-Bahnhof Altstätten
Einfahrt eines Flirt-Triebzugs der SOB in Altstätten
Erste Klasse im Flirt der SOB
Blick aus dem Zugfenster im Rheintal
In St. Margrethen wechseln wir auf die S 3 in Richtung Bregenz, zum Einsatz kommt ein Talent-Triebzug der ÖBB. Wir fahren eine Station bis nach Lustenau, dabei überqueren wir den Rhein und damit auch die Landesgrenze zwischen der Schweiz und Österreich.
Innenraum Talent-Triebzug der ÖBB
Fahrt über den Rhein zwischen St. Margrethen und Lustenau
In Lustenau laufen wir zum Werkhof der Internationalen Rheinregulierung (IRR) an. Der Werkhof beherbergt heute das Museum Rhein-Schauen, das sich der Geschichte der Rheinregulierung widmet. Neben der stationären Ausstellung bietet der Museumsverein auch touristische Fahrten auf der Strecke der Bau- und Güterbahn der IRR an.
Werkhof der Internationalen Rheinregulierung Lustenau
Rangieren der Dampflokomotive 'Liesl' auf dem Gelände des Werkhofs
Im Jahr 2017 waren wir schon einmal hier, damals hatten wir die Strecke des Rheinbähnles von der Mündung des Rheins in den Bodensee bis zum Werkhof befahren und hatten auch das Museum besucht (Link zum Reisebericht).
Die Strecke der Dienstbahn wurde mehrfach verändert, sie führte von der Rheinmündung zu verschiedenen Steinbrüchen und diente vorwiegend dem Transport von Gestein für Bau und Ausbesserung des Rheindamms. Sie ist teilweise elektrifiziert, bei unserem letzten Besuch waren wir mit einer Elektro-Diesel-Lokomotive unterwegs. Heute wollen wir die uns noch unbekannte Strecke vom Werkhof rheinaufwärts nach Widnau erkunden, diesmal mit Dampftraktion.
Ausstellungshalle Museum Rhein-Schauen
Museumszug des Vereins Rhein-Schauen
Die Strecke verläuft auf dem Rheindamm, in Fahrtrichtung links reichen die Häuser der Gemeinde Lustenau an den Damm. Auf der gegenüberliegenden Rheinseite waren wir vorhin mit dem Flirt-Triebzug der SOB nach St. Margrethen gefahren. Der Rhein bildet hier die Grenze zwischen Österreich und der Schweiz. Die Zollstellen befinden sich jeweils hinter dem Rheindamm, ein Bahnübergang des Rheinbähnles führt direkt an der Zollstelle Lustenau über eine Bundesstraße.
Fahrt auf dem Rheindamm am Ortsrand von Lustenau
Blick vom Zug über den Rhein in die Schweiz zum Ort Au
Fahrt über einen Bahnübergang an der Zollstelle Lustenau
Unterwegs im Rheintal
Fahrt auf dem Rheindamm
Bald kommt die Wiesenrainbrücke ins Blickfeld. Die etwa 260 Meter lange Stahlbrücke überspannt seit dem Jahr 1914 den Alpenrhein, neben dem Kraftfahrzeug-, Fußgänger- und Fahrradverkehr dient die Brücke auch der Dienstbahn. Die Zufahrt mit dem Rheinbähnle auf die Brücke ist nur von Süden her möglich. Der Zug fährt daher zunächst an der Brücke vorbei bis zur Haltestelle Wiesenrain.
Blick vom Zug zur Wiesenrainbrücke
Abzweigendes Gleis zur Wiesenrainbrücke
An der Haltestelle Wiesenrain umfährt die Lok den Zug. Anschließend zieht die Lok den Zug auf die Brücke. Das Gleis der Dienstbahn ist in die Fahrbahn eingelassen, während der Zugdurchfahrt wird die Brücke für den Autoverkehr gesperrt. Mit dem Rhein queren wir auch die Grenze zur Schweiz.
Die Lokomotive umfährt den Zug an der Station Wiesenrain
Fahrt auf die Wiesenrainbrücke
Rheinbähnle auf der Wiesenrainbrücke
Blick rheinaufwärts in Richtung Alpen
Die Fahrt führt nun noch für ein kürzeres Stück auf der schweizerischen Seite des Rheins parallel zum Rheinradweg flussaufwärts. Die Dienstbahn hat eine Spurweite von 750 Millimeter, sie wurde im Jahr 1895 auf Basis eines Staatsvertrags zwischen der Schweiz und Österreich über die Regulierung des Alpenrheins errichtet.
In Widnau am Rhy-Schopf ist Endstation für den Museumszug. Die Gleise verlaufen von hier weiter rheinaufwärts ins schweizerische Kriessern, von dort führte eine zusätzliche Rheinbrücke wieder auf die österreichische Seite zu einem Steinbruch, diese Brücke wurde jedoch im Jahr 2012 demontiert.
Fahrt am schweizerischen Rheinufer
Blick von der Endstation Widnau auf die weitere Strecke
Während die Lok umgesetzt wird, können die Fahrgäste im Rhy-Schopf des Werkhofs Widnau eine Dauerausstellung besuchen, sie informiert über die Anfänge und die Zukunft des Hochwasserschutzes am Alpenrhein, die Arbeit des Rheinunternehmens und über die Tradition der Rheinholzer. Es besteht auch die Möglichkeit für einen Besuch am Rheinufer.
Ausstellung im Rhy-Schopf des Werkhofs Widnau
Rhein bei Widnau
Die Dampflok 200-90 'Liesl' wurde im Jahr 1920 von der Firma Maffei gebaut, die 90 PS starke Lokomotive war vor ihrem Einsatz im Museumsverkehr bei der Dienstbahn der Internationalen Rheinregulierung. Wir fahren jetzt zurück nach Lustenau.
Lok 'Liesl' vor dem Rheinbähnle an der Endstation Widnau
Innenraum Wagen des Rheinbähnles
Blick vom Zug über den Rhein zum Bregenzerwald
Fahrt auf die Wiesenrainbrücke
Auch bei der Wiesenrainbrücke gibt es eine Zollstation, unmittelbar beim schweizerischen Zoll Widnau schwenkt das Gleis auf die Fahrbahn. Die Wiesenrainbrücke wurde im Zuge der Rheinkorrektur errichtet, sie ersetzte eine Holzbrücke. Das Bauwerk steht heute unter Denkmalschutz.
Rheinbähnle am schweizerischen Zoll Widnau
Fahrt auf der Wiesenrainbrücke
Blick vom Zug rheinabwärts
Österreichische Zollstation Wiesenrain
Nun fährt der Zug wieder in die Station Wiesenrain, wo er die Fahrtrichtung ändert um auf die Strecke nach Lustenau zu gelangen. Wiesenrain war nicht immer ein Stumpfgleis, die Strecke führte einst weiter zu einem Steinbruch, dieser Streckenabschnitt ist allerdings nicht mehr in Betrieb. Kurz vor dem Werkhof Lustenau unterquert das Gleis der Dienstbahn die normalspurige Bahnstrecke, dort begegnet uns ein Eurocity-Zug, der von München nach Zürich unterwegs ist.
Blick auf das Gleis nach Lustenau
Fahrt auf dem Rheindamm flussabwärts
Eurocity-Zug von München nach Zürich auf der Brücke über den Rhein
Mit der Rückkehr zum Werkhof endet unser Besuch beim Rheinbähnle. Die Strecke von einstmals rund 33 Kilometern ist mittlerweile schon deutlich zusammengeschrumpft, eine geplante Renaturierung des Rheins könnte das Ende der Trasse auf den Rheindämmen mit sich bringen.
Wir laufen zurück zum Bahnhof Lustenau und fahren von dort mit der S 3 nach St. Margrethen.
Einfahrt eines Talent-Triebzug der ÖBB in Lustenau
Innenraum Talent-Triebzug der ÖBB
Fahrt über den Rhein
Von St. Margrethen fahren wir mit der S 7 nach Romanshorn, von dort weiter am schweizerischen Bodenseeufer über Kreuzlingen zurück nach Konstanz. Auf den Strecken werden Gelenktriebwagen von Thurbo eingesetzt. Mit der Ankunft in Konstanz endet unser Tagesausflug.
Gelenktriebwagen von Thurbo in St. Margrethen
Erste Klasse im Gelenktriebwagen von Thurbo
Fahrt am Hafen von Rorschach
Blick vom Zug auf die Landschaft des schweizerischen Bodensee-Hinterlands
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